"barfuss-fuer-menschen"

2. Barfuss Marathonlauf
September 2004





Als ich morgens ins Taxi stieg ,um mich zum Start bringen zu lassen, machte nicht nur der Nieselregen Anschein sich in Bewegung zu setzen, sondern meine linke Kontaktlinse auch. Auch auf strengsten Befehl hin, schaffte ich es nicht, sie freihändig wieder auf der Linse zu positionieren. Was sollte ich tun, zurückfahren und bei meiner in Berlin wohnenden, sicher dann ziemlich besorgten Schwester die Brille holen? Nein, ich nahm einfach die rechte auch raus, wegen der Gleichberechtigung und bat Gott, noch mehr um Erleuchtung beim Marathonlaufen. Leuchten tat ich ja eigentlich schon im wahrsten Sinne des Wortes in meinem enganliegenden goldenen Laufdress. Ich hatte es jetzt, wieso ich mich für ein goldenes Outfit entschieden hatte. Vielleicht gab mir der Anzug ja solche Leuchtkraft, dass ich mich locker ohne Kontaktlinsen auf dem Berliner Asphalt zurechtfinden konnte. Als ich unter den Linden nahe des Brandenburger Tors aus dem Taxi stieg, sah ich nur noch blaue und rote sich fortbewegende Trainingsanzüge. Oh Gott, wie viele Menschen! Das hatte ich noch nicht erlebt. Da war unsere Düsseldorfer Marathonveranstaltung ja eher ein intimes Treffen. Viel falsch machen konnte ich ja nicht beim Finden des Startpunktes. Ich brauchte ja nur den Massen zu folgen. Die Massen führten mich am Reichstag vorbei. Welch ein imposantes Gebäude . Sehe ich zum ersten Mal in meinem Leben. Frage mich, sind wir jetzt im Osten der Stadt, oder doch im Westen? Meinen
Füßen ist dies eigentlich egal und schon gar nicht peinlich. Schade, dass zu so einem Doktortitel nicht gleich das Allgemeinwissen auf einer CD- Rom mitgeliefert wird! Ich erfahre nun von einem Mitstreiter, dass man mich auf Grund von gelaufenen Altlasten zu den letzten 10000 Läufer eingeteilt hat. Dann können mich wenigsten die restlichen 25000 gemeldeten Läufer nicht überholen, weil sie ja schon vor mir gestartet sind. Mir ist kalt, es ist so richtiges ungemütliches herbstliches Schmuddelwetter. Wie gut, so geht es mir jetzt durch den Kopf, dass es neben der Straße ein grünes dichtbepflanztes Wäldchen gibt! Auch die anderen Läufer sind ständig auf der Suche, ein stilles Örtchen zu finden. Diese 2 Liter Wasser, die ich doch heute Morgen schon um 6 Uhr in mich hineingeschüttet habe, warten schließlich darauf, sorgfältig entsorgt zu werden. Die aufgestellten modernen mobilen Toilettenkabinen auf dem Bürgersteig, waren wohl schon seit Monaten ausgebucht. Als Jägerin, durfte mir die freie Natur ja auch vertraut sein. Nun wurden wir über Lautsprecher aufgefordert, unsere Warm ups zu starten. Auf den Bühnen diese unverschämt gut gebauten braungebrannten Fitnesstrainer . Ob die wohl jemals im Leben Marathon laufen, frage ich mich? Neun Uhr so denke ich, ist ja nun vorbei. Die Spannung steigt in meinem Körper. Die ersten Läufer setzen sich in Bewegung. Der erste und letzte Schritt, ist doch wirklich was zählt, das bisschen Marathondistanz dazwischen, das packe ich doch, oder? Der Lautsprecher zählt von 10 rückwärts. Oh Gott, gleich ist es soweit. Warum habe ich jemals in meinem Leben Marathongelüste entwickelt. Ich verfluche diesen Augenblick. Mein coming out geschieht ja heute auf 3- fache Weise. Ich lege zuerst den von meiner Schwester ausgeleierten Pullover in die Kleidertonne ab. Jetzt merkt noch keiner was. Wie die Zinnsoldaten stehen wir Läufer ja noch in Reih und Glied nebeneinander. Gleich kommen die ersten Kommentare denke ich, als ich nun mit meinen nackten Füßen auf dem kalten Asphalt stehe. Meine Füße bewegen sich. Kontrolliere noch schnell meinen Chip am rechten Knöchel, als ich über die erste elektronische Messmatte laufe. Ein Düsenpropeller, in dem sich ein Schwarm von zirpenden Grillen verirrt hat, so empfinde ich das Überqueren der Messmatte. Ist das nicht zu kalt, höre ich nun schon neben mir. Barfuss im Goldanzug war ich ja schon im Mai in Düsseldorf gelaufen, doch da war es ja um einige Grade wärmer. In Berlin hatte ich nun noch eine Härteprüfung zu bestehen. Da ich ja bereits mit einem kleinem Rucksack voller Geld nach Berlin gekommen war von der Pharmafirma Hexal und dem Autohaus Kroymanns ,so war es für mich selbstverständlich, da sich die Firmen sofort bereit erklärt hatten mich bei meiner Aktion „barfuss für Menschen „ zu unterstützen, dass auch ich was für sie tue. So trug ich nun das Banner von Hexal an meiner Brust unterhalb meiner Startnummer und auf dem Rücken. Irgendwann ist ja alles das erstes Mal in seinem Leben. So als Werbe-Ikone ausgestattet zu sein, war ja nun das erste Mal für mich.
Die Berliner Presse, Rundfunk und das ARD Fernsehprogramm waren ja über meine Aktion „barfuss für Menschen „ schon informiert. Mich hatte der Sportunfall von Ronny Ziesmer sehr bewegt, so dass ich mich noch kurzfristig entschloss, auch in Berlin den Marathon mitzulaufen, und zwar wieder barfuss um Spenden zu sammeln. So ganz ohne, war die Entscheidung ja nicht, weil ich ja bereits in diesem Jahr in Düsseldorf im Mai den Marathon mitgelaufen war. Dass ich es barfuss schaffen kann, hatte ich ja schon in Düsseldorf bewiesen. Meinen vierten Marathon in meinem Leben, und dann gleich 2 in diesem Jahr. Es sollte doch gut überleget sein. Aber ich war von diesem Gedanken plötzlich so beseelt, als ich von dem Schicksal von Ronny Ziesmer gehört hatte, dass es kein zurück mehr gab. Ich spürte immer wieder eine Kraft von oben, und wusste immer mehr, dass es richtig war, was ich tat. Die ersten 7 Kilometer rannte ich eigentlich davon. Die erste Anspannung hatte sich ja gelegt und die Kräfte wollte zeigen, was sie drauf hatten. Die Siegessäule haben wir gerade hinter uns. Ist die hoch. Nur ein kurzer Blick in die Höhe ,dann der schnelle Blick wieder auf den blanken Asphalt. Meiner Schwester wollte ich es ja zeigen, die stand ja bei Kilometer 7 und wollte mich mit Apfelsaftschorle versorgen. Meine Zeit war glänzend. . Sie strahlte, du bist sehr schnell. Ob das so gut für mich ist, sagte sie natürlich nicht. Irgendwie fröstelt es mich. Muss das denn immer noch nieseln? Ich war doch in Berlin und nicht in London. Was hatte ich es ja gut, dass ich meinen persönlichen weiblichen Coach dabei hatte. Marianne kannte es aus unseren Kindertagen ja nicht anders. Einmal große Schwester, immer große Schwester. Glaube, die hatte mehr Adrenalinausschüttung bei ihrer Fortbewegung als ich. Schließlich musste sie sich ja durch diese 1 Millionen Zuschauer hindurch quälen, um mich dann wieder bei Kilometer 14 mit den ersten Apfelsinenstücken zu versorgen. Es geht eben nichts über eine große Schwester. Sie hatte sich extra für die anderen Mitverwandten T-Shirts mit „barfuss für Menschen „ drucken lassen. Sie hielt ein großes Schild in der Hand „ Uschi lauf, du schaffst es.“! Dieser Satz, war der häufigste Satz unserer Mutter. Glaube, sie hätte ihn auch gesagt, wenn ich verkündet hätte, die Himmelsleiter barfuss hochklettern zu wollen. Ach da sind sie ja wieder diese Plastikbecher. Oh Gott, schnell auf den Bürgersteig. Das wäre es ja! Straße nass, Plastikbecher als Teppich und ich als Känguru zunächst hüpfend ,dann schwebend und zu guter letzt liegend auf dem Berliner Asphalt. Näh, das wollte ich nicht, dass würde ja meinen ganzen Terminplan durcheinander bringen. Ich hatte ja schließlich meine Verabredungen so zwischendurch auf den 42 km. Ich lief bei den Versorgungsständen auf dem Bürgersteig,. Ehe die Zuschauer es schnallten, dass ich zu den Läufern gehörte, war ich ja schon vorbei. Ach barfuss, hörte ich hinterher sagen. Ich habe davon gehört. Mama schau mal ,die hat keine Schuhe an! In unserem Kulturkreis sind wir einfach hiermit aus der Mode gekommen. Rudimentär haben wir es ja in unseren Genen verankert, das Laufen, und auch das Barfusslaufen. Jetzt geht meine Reise auf der Straße weiter. Oh je, schon wieder eine Marathonpfütze. Damit hatte ich mich gar nicht auseinandergesetzt. Wusste irgendwie nicht, ob es für meine Füße gut ist oder nicht. Aber da kommt doch das kindliche Gemüt stark durch, das einem auch früher sagte, hinein, hinein in die gute Pfütze. Welch ein Spaß, denke ich und meine Füße auch und laufen auch gleich durch die nächste. Nun sollte bald Kilometer 14 kommen. Hinter der Brücke, was denn für eine Brücke? Fließt da die Spree oder so ein Kanal, ich habe es vergessen, was mir meine Schwester gesagt hat. Meinen Füßen ist das allerdings nicht egal, irgendwie ist da eine kleine Steigung auf der Brücke. Mein Geländewagen hat bei Steigungen auch immer einen größeren Energieverbrauch. Der Wechsel der Proviantversorung klappt generalstabsmäßig. Ich bedanke mich auch dafür. Du schaffst es, höre ich sie wieder sagen. Natürlich hatte sie längst auch gemerkt, dass ich schon etwas weniger stürmisch unterwegs war. Ab jetzt fängt der Ernst des Lebens an, höre ich so meine ersten Muskeln sagen. Jetzt sehe ich sie zum ersten Mal. Nun, es gibt sie doch, die Glasscherben. Meine sportlichen Berater hatten doch gerade aus diesem einen Grunde davon abgeraten, barfuss zu laufen . Ich aber wusste es doch besser. Die Veranstalter hatten doch wegen der Skater am Tag vorher, die Straßen porenrein gewaschen. Da brauchte ich also doch keine Angst vor Glasscherben zu haben. Ja, aber ich hatte ja ganz vergessen, dass ich auch in Kreuzberg bei km 18 wieder seitlich an den Versorgungständen auf dem Bürgersteig meinen Reiseweg legen musste. Und bekannter weise sind ja die Kreuzberger Nächte lang. So ab Kilometer 18 braucht man irgendwie einen Gesprächspartner. Da aber die anderen Läufer mit sich selbst beschäftigt waren, so musste ich wohl mit mir selber vorlieb nehmen. Sitzt dein Chip noch, fragt mich meine rechte Hand und langt zum rechten Knöchel. Mein Gott, das Hexal- Banner, war das noch auf meinem Rücken zu sehen? Auf das Lob der Geldgeber, dass ich es getragen habe, will ich ja schließlich nicht verzichten. Im Geheimen hoffe ich irgendwie, dann rücken die vielleicht für die Aktion „ barfuss für Menschen“ noch mal so einen Schein raus. Jetzt werde bloß nicht unverschämt, sagt da meine linke Hirnhälfte. Du hast dich doch total über diese spontane und großzügige Unterstützung gefreut. Und dabei bleibt es jetzt auch. „basta“ Da ist es ja, dass Schöneberger Rathaus. Das hatte ich ja am Tag vorher auch im Taxi gesehen. Wann war das noch mal, als John F. Kennedy vom Balkon verkündigte „ich bin ein Berliner“. Das muss vor meiner Zeit gewesen sein. Als ich von 1971 bis 1973 in Berlin Medizin studierte, habe ich Kennedy nicht gesehen. Wir sind im Westen der Stadt unterwegs. In keiner anderen Stadt der Welt spielen der Ostteil und der Westteil so eine emotionale Rolle. Wie viele Menschenschicksale waren durch die Zweiteilung der Stadt jahrzehntelang voneinander getrennt. Familien mit Kleinkindern wurden auseinandergerissen.
Wie bin ich eigentlich auf das Barfusslaufen gekommen? Ach ja, es war in diesem Frühjahr . Bei der Recherche zu meinem Gesundheitsbuch bin ich auf die Barfussärzte in China gestoßen. Wie vom Blitze war ich damals getroffen. Ja, dass machst du, im wahrsten Sinne des Wortes, wollte ich eine richtige Barfussärztin sein. Nun ist es das 2. Mal, wo ich die Marathon Strecke barfuss unterwegs bin. Ich stelle fest, dass dieses Thema nicht nur bei meinem Selbstgespräch mit meinen Muskelzellen für Gesprächsstoff sorgte, sondern auch bei den Zuschauern am Straßenrand. Die Zusprüche werden nun immer lauter. Helau, helau höre ich Menschen aus dem Rheinland rufen. Habe sie schon in Düsseldorf in diesem goldenen Dress gesehen. Super! Mensch klasse! Weiter so! Da ich von meiner Aktion „barfuss für menschen“ so beseelt bin, bringen mich auch die skeptischen Zurufe nicht aus dem Tritt. Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Wenn man immer das selbe tut, bekommt man auch immer wieder dasselbe Ergebnis. Ich wollte ja nicht nur ans Ziel kommen, sondern auch zum Spenden aufrufen. Gerade hörte ich neben mir, dass ist schon Zeelendorf hier. He, Mensch, da war doch das Studentendorf, in dem ich mir 3 Jahre auch die Nächte um die Ohren geschlagen habe und das auch nicht nur wegen der Medizin-Bücher. Es steht immer noch, obwohl Berliner Investoren es wohl zunächst dem erdbodengleich machen wollten. Nun kann ja unsere Familientradition dort fortgesetzt werden. Jetzt musste er doch kommen, der Platz am Wilden Eber. Hier steppen der Bär und die wilden Eber gleich dazu. Hier sind halb Istanbul und halb Berlin unterwegs, um mir zuzujubeln. Open Air Stimmung pur, mit unzähligen Musikbands .Diese Sambarhythmen gehen direkt ins Blut und in die Muskeln auch. Bei der Ergründung der Namensgebung dieses Platzes kam ich dann zu dem Entschluss, dass an dieser Stelle sicher die berühmteste Schweinezucht der Stadt gewesen sein muss, als es noch Bauern in Berlin gab. Für einen Augenblick war ich nun verwirrt. Plötzlich kam aus der Menge ein sportlicher Mann mit einem ARD Mikrofon auf mich zu. Sollte ich stehen bleiben. Ich wusste es nicht. Also lief ich weiter und der Moderator mit dem Mikrophon auch. An dem Tag, waren sicher wohl nur marathonerfahrene Moderatoren unterwegs. Etwas aus der Puste kommend beantwortete ich laufenderweisen brav seine Fragen. Ich bedachte nicht, dass ich den Fernsehzuschauern nun längst aus dem Bild gelaufen war. An dieser Stelle sollte eben dann nur das Intervieuw genügen. Sein Hauptinteresse galt meinem goldenen Laufdress. Ob ich denn nicht in meinem enganliegenden goldenen Oberteil schwitzen würde. war er sehr besorgt. Alles atmungsaktiv, dass hatte mir ja schon die Düsseldorfer Presse in den Mund gelegt. Kilometer 27 und kein bisschen weiter, und kein bisschen weiser. Mein Gott, Berlin liegt doch weit im Norden und damit auch näher am lieben Gott. Irgendwie hatte ich ja doch gehofft, dass es hier irgendwie kürzere 42 ,129 km wären. So unter uns . Ich rede auch nicht drüber. Das müsste schon drinsitzen. Wir sind ja auch schließlich alle schon so 500 km angereist, So ein kleiner Bonus müsste schon rausspringen. Ich fing an, meine Selbstgespräche ziemlich konzentriert fortzusetzen. So wie einer, der sich im Winter in den Bergen verirrt hat, und nicht einschlafen darf, damit er nicht erfriert. Doch dann traue ich da meinen Augen nicht .Stehen da nicht Massageliegen, oder ist das jetzt so eine Fatamorgana von mir. Uschi tue irgendwas! Also nehme ich mal wieder Kontakt mit meinem Lauf- Chip am rechten Knöchel auf. Es steht fest, mit mir ist alles in Ordnung. Das sind Massage-Liegen aus dieser Welt. Wer kommt denn auf so eine Idee? Der Marathon ist doch ein Laufsport, und kein Liegesport. Für mich wäre es das Aus, wenn ich mich jetzt hinlegen würde. Für mich undenkbar. Mir graut schon jetzt einwenig davor, wenn ich beim Interview mit Frau Seitz vom ARD Fernsehen, stehen bleiben muß. Ob die da wohl einen kleinen roten Teppich für meine stehende Barfüsse hat? Na ja, so weit bin ich ja jetzt noch nicht. Mein Gott, ist das nicht der Kurfüsten- Damm . Ich glaub es nicht! Auch wenn ich als Studentin nicht in die feinen Designer- Geschäfte hier gegangen bin, so hat es mich doch oft hier hergezogen. Ich werde ein wenig sentimental, und denke so, Mensch das ist ja schon über ein viertel Jahrhundert her. Auf der linken Seite passiere ich nun die Gedächniskirche. Irgendwie bist du ja gar nicht älter geworden mit deinen grauen Steinen und blauen Fenstern. Ich gehe davon ,dass sie das jetzt wohl auch von mir denkt.Obwohl,so ein bißchchen sind wir beide ja doch in die Jahre gekommen. Wir haben aber eine neue demographische Entwicklung und die sagt, dass wir alle länger jung sind und bleiben. Ich laufe weiter. Nun sehe ich ja auf der rechten Seite das berühmte Kaufhauf des Westens. Es steht dem Harrods in London bestimmt nichts nach .Leider hat es noch nicht so eine rührende Liebesgeschichte wie mit Prinzessin Diana und dem Erben des englischen Kaufhauses. Nun spür ich plötzlich ,das jemand in dem Gedränge meine rechte Hand ganz festhält. Er führt mich schnurstracks zum Übertragungswagen vom ARD, zu Frau Seitz gegenüber des besagten Kaufhauses. Am Telephon hatten wie ja schon miteinander gesprochen. Die Botschaft war jetzt deutlich stehenzubleiben. Ich war aufgeregt, das stand fest. Schon vor 2 Jahren hatte mir Herr Akermann vom SAT 1 gesagt, als das Fernsehteam in meiner Praxis gefilmt hatte, konzentrieren Sie sich nur auf ihr Gegenüber, und denken sie nicht an die Fernsehkamera. Als ob man sonst nichts zu tun hätte! Schließlich war ich ja mal soeben schon 36 km gelaufen. Vor Erschöpfung werden die Softwareprogramme dann schon mal durcheinander gebracht. Wie wird Frau Seitz mich ansprechen. Na ja,so ein bißchen Stutentbeißen zwischen zwei Frauen ist ja schon mal drin. Sie können es tragen, diesen enganliegenden goldenen Dress, Wau, damit hatte ich ja nicht gerechnet. Welche Frau hört das nicht gerne und dann noch von einer anderen Frau. Klasse angegangen Frau Seitz! Warum müssen Frauen eigentlich immer verlegen werden, wenn sie Komplimente bekommen.? Warum ich denn barfuss laufen würde? Ihr war der Grund ja längst klar, aber die Fernsehzuschauer wollten es ja noch mal wissen. Totzdem ich ja jetzt schon ein weinig schwächelte, war es mir wichtig, Ronny Ziesmer, für den ich ja hier barfuss angetreten war,vor der Fernsehkamera zu grüßen. Habe mich auch während des Laufes immer wieder in Gedanken mit ihm beschäftigt, und mich gefragt, wie es ihm wohl in diesem Augenblicken so geht und was er jetzt so denkt?Sicher ist ihm der ganze Rummel um seine Person auch nicht immer so ganz geheuer. Es wird ja im Dezember eine Gala von der Stiftung Deutsche Sporthilfe in Berlin geben, und da werde ich ihn ja dann persönlich kennenlernen.!Ganz besonders hatte ich mich darüber gefreut, dass sowohl die Deutsche Sporthilfe als auch der Regierende Bürgermeister von Berlin Herr Wowereit ein schriftliches Grußwort für diese Aktion „barfuss für menschen“die Ronny Ziesmer galt, übermittelten . Wo wollte denn plötzlich meine Trinkflasche hin. Sie glitt mir einfach so aus meiner Hand.Sollte ich sie aufnehmen oder nicht? Ich bückte mich vor laufender Fernsehkamera. Glaube, Frau Seitz merkte meine Anspannung und Erschöpfung ganz gut. Komisch, das so Alltägliches plötzlich neu überdacht werden muß vor der Kamera. Glaube, hatte meine Sache hier ganz gut gemacht,und so schwebte ich davon. Wieviel km noch, ich wollte es noch mal von meiner Schwester hören, die dann wieder für kurze Zeit fürsorglich an meiner Seite war. 8km, 8km. Na ja viel, und doch nicht mehr viel. Mein Bordcomputer hatte sich noch nicht entschieden, für das eine oder andere. Und schon höre ich meine Schwester wieder hinter mir herrufen, „Uschi du schaffst es“! Komisch ,dass sie eigentlich nicht noch „halte durch“ ,hinterherrief. Aufhören, näh, das wusste auch sie, das konnten wir uns beide bei mir schwer vorstellen . Von wegen, jetzt und aufhören. Erstensmal wollte ich schließlich nach all den Jahren doch noch durch das Brandenburger Tor laufen,und zweitens hatte ich ja am Ziel eine Verabredung mit der Berliner Verwandtschaft und natürlich mit meiner Schwester. Ihr gehörte ja schließlich auch wenigstens ein kleines Stück der Medaille. Nun bin ich irgendwie bis zum Pariser Platz gekommen.Nicht allzu weit von hier gibt es ja den weltberühmten Gendarmenmarkt. Ich erinnere mich jetzt, dass ich im Jahre 2000 während des Deutschen HNO Kongresses mit meinen Kollegen dort bei so einem“ vornehmen“ Italiener war ,wo ich dann nicht richtig satt geworden bin. So kurz vorm Ziel sehe ich nun schon viele gehende erschöpte Läufer. Hoffentlich brauchen die jetzt nicht meine ärztliche Hilfe,dann würde sich meine Ankunkt doch um einiges verzögern. Quatsch, es waren doch vom Veranstalter genügend medizinisches Personal im Einsatz. Jetzt geht es auf die Zielgerade auf das Brandenburger Tor zu. Hatte das Gefühl, die Menschenmenge jubelte nur mir zu. Was bildete ich mir da wohl ein. So war es dann doch nicht. Obwohl, obwohl,die Menschen klatschen ,als ich an ihnen vorbeilief. Großen Respekt, das sie das barfuss durchgehalten haben.“ Go for gold ,du golden girl“hörte ich sie rufen! Glaube, dieser Respekt galt besonders meinen, doch schon jetzt etwas geschundenen Füßen. Es waren Tribünen an beiden Seiten im Zielbereich aufgebaut. . Das war ja eine super Idee. Man hatte das Gefühl ,durch die auf den Tribünen jubelnden Menschen, wie in ein Stadion einzulaufen. So musste es auch in Rom 1960 bei den Olympischen Spielen gewesen sein, als Akile Abebe im Stadion einlief und barfuss den Marathon gewann . Glaube, der liebe Gott meinte es zum guten Schluß ja noch mal so richtig gut mit mir . Oh weh!Jetzt war Demut angesagt. Im Moment lässt der Untergrund es an nichts fehlen,dass Berliner Kopfsteinpflaster lässt so richtig grüßen. Menschen können ja in gewissen Augenblicken über sich hinauswachsen,so denke ich. Und nun Adrenalin pur. Ich überquere die letzte elektronische Messmatte. Es ist vollbracht! Das vorher wahrgenommene Geräusch des Düsenpropellers mit den zirpenden Grillen, klingt jetzt eher wie ein Konzert mit Symphonien von Mozart oder Beethoven und ich fühle mich jetzt für einen Augenblick fast schwerelos.Die Marathonmedaille wird mir um den Hals gehängt.Ein magischer Augenblick. Es ist die Zeit für die stillen bewegenden Gefühle,und kleine Tränen laufen über das Gesicht. Habe beim 31. Berlin Marathon 2004 das Ziel barfuss erreicht. Wau,so schmeckt Begeisterung! Es folgen laute Umarmungen in XXL Format. Du hast es geschafft, du hast es geschafft, höre ich meine Schwester immer wieder sagen, und reicht mir die Schuhe und Strümpfe. denn wie gesagt, einmal große Schwester, immer große Schwester!