Wie bin ich eigentlich auf das Barfusslaufen gekommen? Ach ja, es war in diesem Frühjahr . Bei der Recherche zu meinem Gesundheitsbuch bin ich auf die Barfussärzte in China gestoßen. Wie vom Blitze war ich damals getroffen.
Ja, dass machst du, im wahrsten Sinne des Wortes, wollte ich eine richtige Barfussärztin sein.
Nun ist es das 2. Mal, wo ich die Marathon Strecke barfuss unterwegs bin.
Ich stelle fest, dass dieses Thema nicht nur bei meinem Selbstgespräch mit meinen Muskelzellen für Gesprächsstoff sorgte, sondern auch bei den Zuschauern am Straßenrand. Die Zusprüche werden nun immer lauter. Helau, helau höre ich Menschen aus dem Rheinland rufen. Habe sie schon in Düsseldorf in diesem goldenen Dress gesehen. Super! Mensch klasse! Weiter so!
Da ich von meiner Aktion „barfuss für menschen“ so beseelt bin, bringen mich
auch die skeptischen Zurufe nicht aus dem Tritt.
Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Wenn man immer das selbe tut, bekommt man auch immer wieder dasselbe Ergebnis. Ich wollte ja nicht nur ans Ziel kommen, sondern auch zum Spenden aufrufen.
Gerade hörte ich neben mir, dass ist schon Zeelendorf hier. He, Mensch, da war doch das Studentendorf, in dem ich mir 3 Jahre auch die Nächte um die Ohren geschlagen habe und das auch nicht nur wegen der Medizin-Bücher.
Es steht immer noch, obwohl Berliner Investoren es wohl zunächst dem erdbodengleich machen wollten. Nun kann ja unsere Familientradition dort fortgesetzt werden.
Jetzt musste er doch kommen, der Platz am Wilden Eber. Hier steppen der Bär und die wilden Eber gleich dazu. Hier sind halb Istanbul und halb Berlin unterwegs, um mir zuzujubeln.
Open Air Stimmung pur, mit unzähligen Musikbands .Diese Sambarhythmen gehen direkt ins Blut und in die Muskeln auch.
Bei der Ergründung der Namensgebung dieses Platzes kam ich dann zu dem Entschluss, dass an dieser Stelle sicher die berühmteste Schweinezucht der Stadt gewesen sein muss, als es noch Bauern in Berlin gab.
Für einen Augenblick war ich nun verwirrt. Plötzlich kam aus der Menge ein sportlicher Mann mit einem ARD Mikrofon auf mich zu. Sollte ich stehen bleiben. Ich wusste es nicht. Also lief ich weiter und der Moderator mit dem Mikrophon auch. An dem Tag, waren sicher wohl nur marathonerfahrene Moderatoren unterwegs. Etwas aus der Puste kommend beantwortete ich laufenderweisen brav seine Fragen. Ich bedachte nicht, dass ich den Fernsehzuschauern nun längst aus dem Bild gelaufen war. An dieser Stelle sollte eben dann nur das Intervieuw genügen.
Sein Hauptinteresse galt meinem goldenen Laufdress. Ob ich denn nicht in meinem enganliegenden goldenen Oberteil schwitzen würde. war er sehr besorgt. Alles atmungsaktiv, dass hatte mir ja schon die Düsseldorfer Presse in den Mund gelegt.
Kilometer 27 und kein bisschen weiter, und kein bisschen weiser.
Mein Gott, Berlin liegt doch weit im Norden und damit auch näher am lieben Gott. Irgendwie hatte ich ja doch gehofft, dass es hier irgendwie kürzere 42 ,129 km wären. So unter uns . Ich rede auch nicht drüber. Das müsste schon drinsitzen. Wir sind ja auch schließlich alle schon so 500 km angereist,
So ein kleiner Bonus müsste schon rausspringen.
Ich fing an, meine Selbstgespräche ziemlich konzentriert fortzusetzen. So wie einer, der sich im Winter in den Bergen verirrt hat, und nicht einschlafen darf, damit er nicht erfriert. Doch dann traue ich da meinen Augen nicht .Stehen da nicht Massageliegen, oder ist das jetzt so eine Fatamorgana von mir.
Uschi tue irgendwas!
Also nehme ich mal wieder Kontakt mit meinem Lauf- Chip am rechten Knöchel auf. Es steht fest, mit mir ist alles in Ordnung. Das sind Massage-Liegen aus dieser Welt. Wer kommt denn auf so eine Idee? Der Marathon ist doch ein Laufsport, und kein Liegesport. Für mich wäre es das Aus, wenn ich mich jetzt hinlegen würde. Für mich undenkbar.
Mir graut schon jetzt einwenig davor, wenn ich beim Interview mit Frau Seitz vom ARD Fernsehen, stehen bleiben muß. Ob die da wohl einen kleinen roten Teppich für meine stehende Barfüsse hat? Na ja, so weit bin ich ja jetzt noch nicht.
Mein Gott, ist das nicht der Kurfüsten- Damm . Ich glaub es nicht! Auch wenn ich als Studentin nicht in die feinen Designer- Geschäfte hier gegangen bin, so hat es mich doch oft hier hergezogen.
Ich werde ein wenig sentimental, und denke so, Mensch das ist ja schon über ein viertel Jahrhundert her.
Auf der linken Seite passiere ich nun die Gedächniskirche. Irgendwie bist du ja gar nicht älter geworden mit deinen grauen Steinen und blauen Fenstern.
Ich gehe davon ,dass sie das jetzt wohl auch von mir denkt.Obwohl,so ein bißchchen sind wir beide ja doch in die Jahre gekommen.
Wir haben aber eine neue demographische Entwicklung und die sagt, dass wir alle länger jung sind und bleiben.
Ich laufe weiter. Nun sehe ich ja auf der rechten Seite das berühmte Kaufhauf des Westens. Es steht dem Harrods in London bestimmt nichts nach .Leider hat es noch nicht so eine rührende Liebesgeschichte wie mit Prinzessin Diana und dem Erben des englischen Kaufhauses.
Nun spür ich plötzlich ,das jemand in dem Gedränge meine rechte Hand ganz festhält. Er führt mich schnurstracks zum Übertragungswagen vom ARD, zu Frau Seitz gegenüber des besagten Kaufhauses.
Am Telephon hatten wie ja schon miteinander gesprochen. Die Botschaft war jetzt deutlich stehenzubleiben.
Ich war aufgeregt, das stand fest. Schon vor 2 Jahren hatte mir Herr Akermann vom SAT 1 gesagt, als das Fernsehteam in meiner Praxis gefilmt hatte, konzentrieren Sie sich nur auf ihr Gegenüber, und denken sie nicht an die Fernsehkamera.
Als ob man sonst nichts zu tun hätte!
Schließlich war ich ja mal soeben schon 36 km gelaufen.
Vor Erschöpfung werden die Softwareprogramme dann schon mal durcheinander gebracht.
Wie wird Frau Seitz mich ansprechen. Na ja,so ein bißchen Stutentbeißen zwischen zwei Frauen ist ja schon mal drin.
Sie können es tragen, diesen enganliegenden goldenen Dress,
Wau, damit hatte ich ja nicht gerechnet. Welche Frau hört das nicht gerne und dann noch von einer anderen Frau. Klasse angegangen Frau Seitz!
Warum müssen Frauen eigentlich immer verlegen werden, wenn sie Komplimente bekommen.? Warum ich denn barfuss laufen würde?
Ihr war der Grund ja längst klar, aber die Fernsehzuschauer wollten es ja noch mal wissen.
Totzdem ich ja jetzt schon ein weinig schwächelte, war es mir wichtig, Ronny Ziesmer, für den ich ja hier barfuss angetreten war,vor der Fernsehkamera zu grüßen. Habe mich auch während des Laufes immer wieder in Gedanken mit ihm beschäftigt, und mich gefragt, wie es ihm wohl in diesem Augenblicken so geht und was er jetzt so denkt?Sicher ist ihm der ganze Rummel um seine Person auch nicht immer so ganz geheuer.
Es wird ja im Dezember eine Gala von der Stiftung Deutsche Sporthilfe in Berlin geben, und da werde ich ihn ja dann persönlich kennenlernen.!Ganz besonders hatte ich mich darüber gefreut, dass sowohl die Deutsche Sporthilfe als auch der Regierende Bürgermeister von Berlin Herr Wowereit ein schriftliches Grußwort für diese Aktion „barfuss für menschen“die Ronny Ziesmer galt, übermittelten
.
Wo wollte denn plötzlich meine Trinkflasche hin. Sie glitt mir einfach so aus meiner Hand.Sollte ich sie aufnehmen oder nicht? Ich bückte mich vor laufender Fernsehkamera. Glaube, Frau Seitz merkte meine Anspannung und Erschöpfung ganz gut. Komisch, das so Alltägliches plötzlich neu überdacht werden muß vor der Kamera. Glaube, hatte meine Sache hier ganz gut gemacht,und so schwebte ich davon.
Wieviel km noch, ich wollte es noch mal von meiner Schwester hören, die dann wieder für kurze Zeit fürsorglich an meiner Seite war.
8km, 8km. Na ja viel, und doch nicht mehr viel.
Mein Bordcomputer hatte sich noch nicht entschieden, für das eine oder andere.
Und schon höre ich meine Schwester wieder hinter mir herrufen, „Uschi du
schaffst es“! Komisch ,dass sie eigentlich nicht noch „halte durch“ ,hinterherrief.
Aufhören, näh, das wusste auch sie, das konnten wir uns beide bei mir schwer vorstellen .
Von wegen, jetzt und aufhören. Erstensmal wollte ich schließlich nach all den Jahren doch noch durch das Brandenburger Tor laufen,und zweitens hatte ich ja am Ziel eine Verabredung mit der Berliner Verwandtschaft und natürlich mit meiner Schwester. Ihr gehörte ja schließlich auch wenigstens ein kleines Stück der Medaille.
Nun bin ich irgendwie bis zum Pariser Platz gekommen.Nicht allzu weit von hier gibt es ja den weltberühmten Gendarmenmarkt. Ich erinnere mich jetzt, dass ich im Jahre 2000 während des Deutschen HNO Kongresses mit meinen Kollegen dort bei so einem“ vornehmen“ Italiener war ,wo ich dann nicht richtig satt geworden bin.
So kurz vorm Ziel sehe ich nun schon viele gehende erschöpte Läufer. Hoffentlich brauchen die jetzt nicht meine ärztliche Hilfe,dann würde sich meine Ankunkt doch um einiges verzögern.
Quatsch, es waren doch vom Veranstalter genügend medizinisches Personal im Einsatz.
Jetzt geht es auf die Zielgerade auf das Brandenburger Tor zu.
Hatte das Gefühl, die Menschenmenge jubelte nur mir zu. Was bildete ich mir da wohl ein. So war es dann doch nicht. Obwohl, obwohl,die Menschen klatschen ,als ich an ihnen vorbeilief. Großen Respekt, das sie das barfuss durchgehalten haben.“ Go for gold ,du golden girl“hörte ich sie rufen!
Glaube, dieser Respekt galt besonders meinen, doch schon jetzt etwas geschundenen Füßen.
Es waren Tribünen an beiden Seiten im Zielbereich aufgebaut. . Das war ja eine super Idee. Man hatte das Gefühl ,durch die auf den Tribünen jubelnden Menschen, wie in ein Stadion einzulaufen.
So musste es auch in Rom 1960 bei den Olympischen Spielen gewesen sein, als Akile Abebe im Stadion einlief und barfuss den Marathon gewann .
Glaube, der liebe Gott meinte es zum guten Schluß ja noch mal so richtig gut mit mir . Oh weh!Jetzt war Demut angesagt. Im Moment lässt der Untergrund es an nichts fehlen,dass Berliner Kopfsteinpflaster lässt so richtig grüßen.
Menschen können ja in gewissen Augenblicken über sich hinauswachsen,so denke ich.
Und nun Adrenalin pur. Ich überquere die letzte elektronische Messmatte. Es ist
vollbracht!
Das vorher wahrgenommene Geräusch des Düsenpropellers mit den zirpenden Grillen, klingt jetzt eher wie ein Konzert mit Symphonien von Mozart oder Beethoven und ich fühle mich jetzt für einen Augenblick fast schwerelos.Die Marathonmedaille wird mir um den Hals gehängt.Ein magischer Augenblick.
Es ist die Zeit für die stillen bewegenden Gefühle,und kleine Tränen laufen über das Gesicht.
Habe beim 31. Berlin Marathon 2004 das Ziel barfuss erreicht.
Wau,so schmeckt Begeisterung! Es folgen laute Umarmungen in XXL Format. Du hast es geschafft, du hast es geschafft, höre ich meine Schwester immer wieder sagen, und reicht mir die Schuhe und Strümpfe.
denn wie gesagt, einmal große Schwester, immer große Schwester!
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